FERNSICHT
(Quelle: Südzeit 2007)
"Fairer Handel und Kunsthandwerk in Kenia".
Mein Weltsozialforum
Für Eugen Schütz war klar, seine Reise zum Weltsozialforum im Januar nach Nairobi sollte ihn auch zu Fair-Handelspartnern führen. Den Kontakt vermittelte ihm die Importorganisation dwp aus Ravensburg. Seit etwa 6 Jahren werden sie von der Gruppe SMOLart aus Tabaka beliefert. Tabaka liegt in den Highlands, über 2000m hoch, im Westen Kenias. Der kleine Ort mit seinen ca. 3000 Einwohnern ist etwa eine Autostunde von der Distrikt-Hauptstadt Kisii und vom Viktoria-See entfernt:
Von Nairobi nach Tabaka
Die knapp acht Stunden dauernde Fahrt von Nairobi nach Kisii ging bei teilweise katastrophalen Straßenverhältnissen über wellblechartige Teerstaßen und Sandpisten, vorbei an umgestürzten LKWs und Bussen, durchs Rift Valley oder Massai-Land. Wir hatten nur wenige Zwischenstops auf der berühmten Ostafrika LKW-Route und sie forderte nicht nur dem Akamba-Busfahrer alles Können ab, sondern auch den Fahrgästen ihre Energiereserven.
Dafür durchfuhren wir eine wunderbare und sehr abwechslungsreiche Region, vorbei an leuchtend grünen Tee-Plantagen, durch abgelegene Ortschaften. Oft bestanden sie aus wenigen Verkaufständen, einfachen Bretterbuden oder aus auf dem Boden ausgebreiteten Haufen mit Obst und Gemüse. Die großen Linien-Busse fahren nur morgens und nachts. Die Fahrt kostet 600 KS oder etwa sieben Euro. Ansonsten fahren aber auch die schöneren Matatus und die kleinen schnelleren Nissan-Shuttle-Busse für das gleiche Geld.
Weil ich niemanden kannte, hatte ich meine Ankunft in Kisii nur per Mail und am Morgen der Abfahrt des Akamba-Busses per SMS ankündigen können. Mein Kontaktmann, der SmolART-Verwalter Jim Kenyanya holte mich tatsächlich etwa zehn Minuten. nach Ankunft in Kisii beim Akamba-Busbüro ab. Als wir in Tabaka bei völliger Dunkelheit und Regen ankamen, hatte ich keine Orientierung mehr. Straßenbeleuchtung gab es nicht. Ich konnte das Haus meiner Gastgeber nicht sehen. Trotzdem stiegen wir schnell aus und gingen Treppen in einem Wellblech-Eingang hinunter. Als wir einen unscheinbaren Kellerraum betraten, traute ich meinen Augen kaum. Was ich sah, war eine spärlich beleuchtete Lagerhalle mit Regalen voll unendlich vieler Steinprodukte.. Jim brachte mich dann zum Chairman, Moses Ongesa, bei dem ich wohnen sollte.
Künstler-Paradies
Gleich am nächsten Morgen fing ich an, alles über SMOLart* und ihre Produkte zu erfahren. Bei Tageslicht sah ich, an welch schönem und friedlichem Ort ich mich befand. Und diese Pracht und Vielfalt an Skulpturen, Dosen, kunsthandwerklichen Objekten und wunderschönen Gebrauchsgegenständen konnte ich erst jetzt so richtig erfassen, von rosa über grün, rot und gelb bis türkis mit afrikanischen Graphiken und Muster.
Euphorisch machte ich mich an die Arbeit, untersuchte, schaute zu und fragte immer wieder nach. Jeder staunte über meine eifrige Hilfe zu Vielem, was bei der Produktion und Vermarktung beachtet werden sollte oder einfach nur zur Präsentation z.B. im Katalog eine Verbesserung darstellte. Angeblich hatte dies kein Besucher zuvor getan. Für mich war es eine Ehre, denn wieder einmal konnte ich Afrika etwas zurückgeben. Angespornt und motiviert wollte das Management Commitee gleich meine Vorschläge umsetzen. Es besteht aus sieben gewählten Mitgliedern. Frauen sind zur Zeit. in der Mehrheit. Eine von ihnen ist Gender-Beauftragte. Man gewährte mir überall Einblick und führte mich auch zu vielen Produktionsstätten in der Nachbarschaft. Von den 250 MitarbeiternInnen arbeiten 50 im Gebäude und 200 außerhalb. Jeder ist krankenversichert.
Im Gebäude gab es ein kleines Büro mit Sitzecke, einen kleinen Präsentier- und Verpackungsraum und feste Toiletten. Für die Spülung und Wasserversorgung befinden sich Wassertanks auf dem Dach. Eine Solaranlage produziert den benötigten Strom. Demnächst wird es einen Anschluss an das Stromnetz geben, so dass Jim nicht mehr fürs Internet ein Extra-Büro in Kisii braucht. Zur Verwaltung zählen neun Personen, zusätzlich zum Management. Alle bekommen den gleichen Lohn, egal ob fürs Schnitzen, Schleifen, Färben, Graphieren, Verpacken, Kontrolle oder Management. Und es sind viele kleine Produktionsschritte bis zum Finishing. Je nach Auftragslage bekommt man um die 6000 KS oder ca. 90 € im Monat. Es gibt Mittagspause, pünktlich Feierabend und Wochenende. Ein Wachmann oder Kellner in Nairobi verdient deutlich weniger oder muss 16 Sunden arbeiten.
Darüber hinaus profitieren in Tabaka Hunderte mehr durch Zuarbeiten für SmolART. Wenn man z.B. Familie und Kinder hat, lässt sich dies bei Heimarbeit ideal vereinbaren. Das stärkt jede Frau und macht sie unabhängig. Auf der Straße hörte man von überall her die Arbeits-geräusche. Jeder, mit Ausnahme der Kinder, scheint irgendwie in Stein zu arbeiten.
Pläne
Alle grüßten mich freundlich und suchten das Gespräch. Mein Besuch hatte sich schnell herum gesprochen, selbst im Steinbruch. Moses zeigte mir die fünf Gesteinsunterschiede. Alles wird von Hand gefertigt. Selbst große Scheiben werden zu zweit mit der zwei Meter langen zweihändigen Baumsäge gesägt, ebenso Schmuckdosen bis zu ganzen Waschbecken, Millimeter genau! Busch- und Schnitzmesser, Stecheisen, aber auch Wasser, Schuhcreme oder Wachs kommen zum Einsatz. All zu viele Details möchte ich aber aus Copyright-Gründen nicht preisgeben, weil die Stein-Kunst der Kisii-Region weiter zum Begriff werden soll. Eine große Plakatwand weist schon an der Hauptverbindungsstraße auf SmolART hin. Immer mehr junge Menschen leben wieder im Ort.
Da Wasser nach wie vor nicht aus der Leitung kommt, hat man sich durch Beteiligung bei Hilfsmaßnahmen an der Flusssicherung Wasserrechte für die Mitarbeiter erworben. Mit der Gemeinde wird über Gefahren wie Aids oder die Abwanderung in touristische Küstenregionen diskutiert und beraten. Finanziell kommt von der Gemeinde keine Unterstützung.
Auf die Frage, was die Kunsthandwerker mit dem angefangenen ersten Stockwerk machen, antwortete man mir, dass 25.000 Euro noch für die Vollendung fehlen würden. „Eines Tages soll es fünf Etagen geben.“ Ganz oben wird es einen Konferenzraum und Festsaal für die Gemeinde geben, damit man auch Mieteinnahmen erzielen kann. Darunter kommt eine öffentliche Bibliothek für Schüler. Im zweiten Stock wird die Lagerhalle und ein Mitarbeiterraum sein. Im ersten oder im Keller soll das Büro sein.
Die Gruppe exportiert 90 % ihrer Waren in den fairen Handel nach Europa. Der Rest geht nach Neuseeland, Australien o. die USA. Leider werden manchmal Produkte so verändert, dass man ihren afrikanischen Ursprung nicht mehr erkennen kann.
Am Ende meines dreitägigen Besuchs konnten wir noch gemeinsam eine neue professionelle Visitenkarte kreieren. Aber unsere gemeinsamen Zeit war noch nicht zu Ende. Mitglieder von Smolart fuhren ebenfalls zum Weltsozialforum nach Nairobi, und so schloss ich mich ihnen an. Eingeladen wurde SmolART gemeinsam mit anderen Gruppen vom afrikanischen Fairhandelsnetzwerk und der Organisation IFAT. Sie hatten einen gemeinsamen Stand und es gab Podien und Workshops über die Fairhandelsarbeit in Afrika und Kenia. Ich verbrachte nun meine Weltsozialforums-Zeit ebenfalls mit meinen neuen Freunden und wohnte im gleichen Gasthaus. Zum Abschied erfuhren sie, dass sie von IFAT als Mitglied aufgenommen wurden. Damit steht einer Teilnahme auf einer fairen Messe in Europa nichts mehr entgegen.
Eugen Schütz, Illingen, Agenda-Künstler und DEAB-Vorstand